Die Entwicklung der Stadt Mannheim
Hand aufs Herz: wie viele 'Quadratestädte' gibt es in Deutschland, die diesen Begriff als typisch für sich führen? Die Antwort ist: genau eine Quadratestadt findet sich - und das ist Mannheim. Dafür gibt es einen guten Grund: die Stadtplanung der barocken Idealstadt. Ausgehend vom Mannheimer Schloss nicht weit vom Rheinufer hat man das Stadtzentrum in Blöcke aufgeteilt und mit Buchstaben bezeichnet, so dass sich bis zum heutigen Tag so merkwürdige Adressen ergeben wie "E 5" (Anschrift der Stadtverwaltung). Ursprünglich verwandte man römische Zahlen für die Blöcke, die auch keine echten Quadrate im streng geometrischen Sinne sind, ab 1794 wurden daraus die heute bekannten Buchstaben mit arabischen Zahlen. Für Neulinge ist das System zuerst verwirrend, aber wenn man sich erst mal eingefunden hat, erleichtert es die Orientierung sehr. Die Quadrate sind von einem hufeisenförmigen Außenring eingefasst. Die zentrale Straße führt genau zum Schlosstor, die kreuzende Achse zielt auf den außenliegenden Wasserturm, einem anderen Wahrzeichen für ein historisches Mannheim, das jedoch erst später hinzugefügt wurde. Diese beiden Straßen, Planken und Breite Straße, sind auf einem guten Teil ihrer Länge, jedoch nicht komplett, als Fußgängerzonen gestaltet. Außer diesen beiden Straßen und für den Schnittpunkt, den Paradeplatz, gibt es keine Straßennamen im Quadratenetz. Trotz dieser Planstadt-Charakteristik ist aber Mannheim keinesfalls ein Produkt der Neuzeit. Der Ort ist ähnlich alt wie andere ursprüngliche Dörfer in der Umgebung und auf der anderen Rheinseite, nämlich erstmals erwähnt im achten Jahrhundert.
Von der Festung zum Barockschloss - und endlich badisch dazu
Die typische Blockaufteilung entstand erst mit dem Bau einer Festung im frühen 17. Jahrhundert. Kurfürst Friedrich IV gilt als der Urheber der Anlage. Sie ist beileibe nicht die einzige ihrer Art, für die Anlageplanung eines barocken Schloss kann man in der Nähe das Schwetzinger Schloss bewundern, für eine Residenzstadt weiterhin Karlsruhe, die Hauptstadt des Regierungsbezirks, zu dem Mannheim gehört. Von der 'Friedrichsburg' genannten Zitadelle in Form eines Sterns ist nichts mehr vorhanden; an ihre Stelle ist das Mannheimer Schloss gerückt, mit dessen Bau, nach wiederholter Verwüstung der Stadtanlagen durch französische Truppen im Jahrhundert davor, 1720 begonnen wurde. Das Schloss war mit seiner Fertigstellung 1760 nun Residenz des Kurfürsten und nur wenig kleiner als das von Versailles. Die Geschichte Mannheims hätte längere Zeit glanzvoll höfisch weitergehen können, aber der aktuelle pfälzische Kurfürst Carl Theodor erbte die bayerische Krone und verlegte darum 1778 erneut die Residenz, diesmal nach Bayern. Noch dazu wurde dadurch der bayrische Erbfolgekrieg ausgelöst, wodurch Mannheim erst an die Peripherie gedrängt und schließlich 1803 nach weiterer zwischenzeitlicher Eroberung durch Frankreich an Baden fiel. Aber das ist alles immer noch Vorgeschichte, bis wir im späten 19. Jahrhundert endlich Mannheim auf Postkarten bewundern dürfen.
Ein Mekka des Maschinenbau-Ingenieurwesens
Aber zunächst wurde Mannheim im Verlauf dieses 19. Jahrhunderts von der Industrialisierung erfasst und in ihrem Verlauf stark vergrößert, nun natürlich weit über die Konturen der nun geschliffenen Stadtfestungsanlagen hinaus. Die angrenzenden Wohnviertel nach Osten und Südosten verraten starken Wohlstand mit Villen eines begüterten Bürgertums. Indirekt ist Mannheim sogar für das Gedeihen seiner entstehenden Schwesterstadt Ludwigshafen auf der gegenüberliegenden Rheinseite verantwortlich, wenn auch durch eine fatale Fehlentscheidung seiner Stadtverwaltung. Diese versagte nämlich der Badischen Anilin- und Sodafabrik das benötige Gelände für ihre Werksanlagen, worauf die Fabrik kurzentschlossen 1865 auf das andere Rheinufer wechselte und zum Motor Ludwigshafens wurde. Aber wie viele alte Ansichtskarten von Mannheim zeigen, war das nicht das Ende der Ingenieurskunst in der badischen Stadt. Es gibt ja noch viele andere Errungenschaften, die auf ewig mit dem Namen der Stadt verbunden bleiben. Da denkt man vor allem an Karl Benz und die Entwicklung des frühen Automobils, das von seiner Frau in spektakulären Ausflugsfahrten genutzt wurde. Der Maschinenbau feierte hier weitere Premieren: das erste Zweirad von Karl Drais war dem vorangegangen, der erste elektrische Aufzug der Welt wurde 1880 von Siemens vor Ort gebaut, hier wurde der erste Dieselmotor entwickelt und seit 1909 Luftschiffe von Schütte-Lanz konstruiert. Im neuen Jahrhundert wurde Mannheim zur Wiege des ersten Elektroautoantriebs und des Lanz Bulldog Traktors (1921).
Ewig das gleiche Theater - aber es hat es in sich
Der Bereich des Zusammenflusses von Rhein und Neckar, nordwestlich des Zentrums, wurde für den Bau von Hafenanlagen und eines Kanal genutzt, welche die von Ludwigshafen an Größe und abgewickelten Frachtvolumens überboten. Die Eingemeindungen von Käfertal, Neckarau, Feudenheim, Sandhofen und Rheinau waren noch vor dem Ersten Weltkrieg abgeschlossen, die weiteren Gebietserweiterungen fanden mit Rohrhof noch zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges ihr Ende, ganz im Gegensatz zu Ludwigshafen, das erst 1974 seine Eingemeindungen abschloss. Historische Ansichten sind Zeugen dieser Erweiterungen, des Stadtwachstums und des resultierenden Wohlstandes. Der 1889 erbaute neubarocke Wasserturm ist Mittelpunkt einer Park- und Brunnenanlage und angrenzender Arkadengebäude. Zu dieser Zeit bestand das Nationaltheater schon lange, und im Unterschied zum Pfalzbau auf der anderen Rheinseite hat es heute auch ein eigenes Ensemble im Hause. Das Nationaltheater war noch eine kurfürstliche Gründung, gilt aber seit seiner Übernahme durch die Stadt 1839 als das älteste Kommunaltheater der Welt. Der badische Dramatiker Friedrich Schiller ließ hier sein Stück 'Die Räuber' uraufführen (1782). Überhaupt ist die Mannheimer Theaterszene immer lebendig und vielseitig gewesen, bis zum heutigen Tag. Hier sind neben Nationaltheater zwölf Spielstätten im Betrieb, unterschiedlicher Größe und Ausrichtung (inklusive Puppentheater). Kulturell hatte ein Modernes und historisches Mannheim schon immer viel zu bieten. Selbst Mozart wirkte hier monatelang und wäre gern eingestellt worden, aber der kurpfälzische Hof entschied anders.
Des selbstbewusste Bürgertum und seine Spuren in Stein und Grün
Die Gründerzeit bis zum Ende des Kaiserreiches ließ durch weitere kulturellen Prachtbauten den erreichten Wohlstand der Stadt erkennen, die anders als im 17. Jahrhundert und zuletzt 1795 keine kriegerischen Handlungen und Verwüstungen mehr gesehen hatte. Die Kunsthalle Mannheim von 1907 und der Rosengarten von 1903 in der Oststadt in ihrem Jugendstil von rotem Sandstein sind repräsentative Prachtanlagen des Bürgertums und Zurschaustellung seiner Kultiviertheit. Imposant sieht auch die Christuskirche von 1911 im selben Stadtteil aus, mit der Zentralkuppel und umgebenden kleineren Kuppeln erinnert sie an orthodoxe Kirchenbauten, weniger an eine von Anfang an evangelische Kirche, die sie ist. Das alte Rathaus ist vermutlich das älteste erhaltene Mannheimer Gebäude von Rang, es stammt wie die teilintegrierte Pfarrkirche Sankt Sebastian aus 1713. Noch Teil des Schloss-Ensembles ist die barocke Jesuitenkirche, 1760 fertiggestellt. Der höchste Kirchtum im Stadtgebiet aber gehört der Konkordienkirche, die zwar im Kern nicht minder alt ist (1717), aber deren Turm neueren Datums ist (1893). Er überstand die verheerenden Bombardements des Zweiten Weltkrieges fast unbeschadet. Da hat sich doch der Aufwand der architektonischen Aufwertung mal gelohnt. Der größte Park der Stadt, namens Luisenpark, ist ebenfalls in jenen Jahren reger Bautätigkeit repräsentativer Bauten in Mannheim entstanden, 1903. Genauer gesagt unterteilt er sich in einen unteren Luisenpark und die Erweiterung als oberer Luisenpark zum Anlass der Bundesgartenschau von 1975. Ein 41 Hektar großer idealer Treff für romantische Verabredungen auf der Partnersuche in Mannheim, möchte man meinen.
Alles kaputt und neue Vielfalt
Mitgefangen, mitgehangen. Die hohe Industriekonzentration im Rhein-Neckar-Gebiet, und das schließt ausdrücklich die pfälzische Seite mit dem Riesenwerk der BASF ein, war erwartungsgemäß ein primäres Ziel für die Bombardierung der Reichsindustrie während des Zweiten Weltkrieges. Und so teilte Mannheim das Schicksal Ludwigshafens, was die weitgehende Zerstörung des Gebäudebestandes, zumindest in zentralen Lagen und in der Nähe von Industriebauten, anging. Wir finden darum im Stadtzentrum diesen charakteristischen Mix aus Nachkriegsblöcken und restaurierten Vorkriegsbauten, wobei mit mangelnder historischer Bedeutung die Nachkriegsbauten der einfachere Weg waren und darum überwiegen. Wenigstens blieb Mannheim ein breschenschlagendes Verkehrsprojekt von den Ausmaßen eines Ludwigshafener Hochstraßensystems weitgehend erspart - jedoch gibt es Anklänge daran. Schon von fern auffallend ist der Fernsehturm von 212 Metern, der ebenfalls im Luisenpark zu finden ist, mit einem sich langsam drehenden Restaurant weit oben. Das ist ja alles sehr beschaulich, aber Torten in Mannheim bestellen oder Pizza bestellen in Mannheim würden Sie vermutlich eher für zuhause, und nicht in den Fernsehturm liefern lassen... Exotisch ist auch die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee, die dem mittlerweile hohen Anteil muslimischer Bevölkerung in der Stadt Rechnung trägt. Am Rand von Stadtteil Jungbusch gelegen, war sie 1995 bei ihrem Bau die größte Moschee in Deutschland und gerade wegen des Minaretts und seiner Höhe ein Streitobjekt in der öffentlichen Debatte. Den Titel der größten Moschee im Land musste sie 2008 an einen Bau in Duisburg abtreten. Seit 1987 hat Mannheim auch wieder eine Synagoge, ein Gebäude aus rotem Granit moderner Gestalt.
Sport der unüblichen Art und sonstige Besonderheiten
Eine Besonderheit Mannheims ist sein Eishockeyclub. Dieser war erfolgreicher und populärer, ehe der hiesige Fußballclub Waldhof Mannheim es endlich zeitweise nach oben schaffte. Die 'Adler Mannheim' sind seit 1980 achtmal deutscher Meister gewesen, zuletzt 2019. Der früheren Gegenwart von US-Basen sind für deutsche Verhältnisse noch exotischere Sportvereine zu verdanken, nämlich gleich mehrere Baseball-Teams. Für die Musikbegeisterten gibt es im März das Musikfestival Time Warp und im Oktober Enjoy Jazz. Für den Film gibt es im März ein Werbefilmfestival in der Maimarkthalle und im Oktober das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg. An weiteren Veranstaltungen wäre der jährliche Mannheimer Maimarkt zu nennen, der ganze 400 Jahre an Tradition aufzuweisen hat. Sicher ist dort auch Makronengebäck aus Mannheim zu bekommen, schließlich haben 350000 Besucher eine Menge Appetit. Spezieller ist da die Veterama, der für Liebhaber alter Autos, mit Bildern wie aus dem Postkarten-Archiv, ein Begriff ist. Hier findet sich von Literatur bis zu Ersatzteilen fast alles zu Oldtimern - ebenfalls auf dem Maimarktgelände. Wie man dorthin kommt? Das Straßenbahnnetz wurde seit 1878 aufgebaut und wird mit Ludwigshafen samt Buslinien geteilt. Die Planung zu einer U-Bahn hat man dagegen nach Bau von zwei unterirdischen Stationen auf Ludwigshafener Seite fallenlassen. Der Hauptbahnhof von Mannheim stellt den von Ludwigshafen weitgehend in den Schatten, da der meiste Schienenverkehr rechtsrheinisch verläuft, darum ist dieser Bahnhof der zweitwichtigste im ganzen Südwesten Deutschlands. Der Rangierbahnhof für Frachtwaggons ist sogar der zweitgrößte von ganz Europa.